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Liebeserklärung an meinen Garten

Mein Garten ist mein Paradies.
Komm her, mein Liebling, und genieß'
mit mir die Ruhe und die Blütenpracht,
Ein stilles Glück, für uns gemacht.

Mein Garten bedeutet mir viel und er ist vieles für mich: Ein Ort des Rückzugs und der Entspan-nung, Inspirationsquelle und Augenweide, aber auch Ort der Geselligkeit, des Gesprächs mit Freunden, ein Ort, um das Leben bei einem Glas Wein oder manchmal auch nur einem Glas herrlich frischem Wasser zu genießen. In meinem Garten kann ich die Gedanken schweifen lassen, verliere ich mich im Hier und Jetzt, träume und genieße den Augenblick. Mein Garten ist für mich Lebenselixier. Ich brauche das Gefühl, jederzeit ins Freie treten zu können. Ich könnte auf vieles verzichten, aber schwerlich auf meinen Garten. Im emotionalen Auf und Ab des Lockdowns war eine Freude jeden Tag sicher: der Blick hinaus in meinen Garten, auf die Vögel im Futterhäuschen, auf die Fische, die friedlich ihre Kreise im Teich ziehen, auf das Wiedererwachen der Natur, die Rückkehr der Farben, erste Blüten, das Amselpaar, das hoch oben in unserem Freisitz nistet.

Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können, sagt der Philosoph Friedrich Nietzsche. Die Sterilität gekiester Vorgärten, in denen kitschige Plastikfiguren echtes Wachsen und Leben ersetzen, sagt viel über unsere Zeit aus. Hier wird jeder Zufall, jede ungeplante Regung der Natur, ja das Leben selbst, verhindert. Eine im wahrsten Sinne des Wortes lebensfeindliche Umgebung. Tanzende Sterne werden an solcher Stelle sicher nicht geboren.

Mein Garten lehrt mich Demut

Aber es geht auch anders. Und wer den Mut hat, sich von getrimmten Rasenflächen, abgezirkelten Rabatten und normierten Baumarkt-Gärten zu verabschieden, wird in jedem noch so kleinen Garten ein Paradies entdecken können. Leben ist immer auch Veränderung. Jeder Garten entwickelt seine eigene Dynamik, wenn man ihn nur lässt.

Mein Garten verändert sich nicht nur mit der Jahreszeit, nein, er verändert sich, meist ohne mein Zutun, Jahr für Jahr. Er lehrt mich Demut. Demut vor der Natur und ihrer unendlichen Schöpfungskraft. Längst nicht jede Pflanze hält sich an den Platz, den ich eigentlich für sie vorgesehen habe. Viele verschwinden, um im nächsten oder übernächsten Jahr dann plötzlich an unvermuteter Stelle wieder aufzutauchen und prächtiger als je zuvor zu blühen.

© by Elisabeth Schinagl 2021

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