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Alles wie immer

Nie hätte ich gedacht, dass so etwas möglich ist. Ich glaube es jetzt noch nicht, will es nicht glauben. Und doch beweist schon die Tatsache, dass ich unsere kindische Geheimschrift wieder verwende, dass ich gegen meinen Willen mit mehr als einer Faser überzeugt bin, dass es doch möglich ist. Was habe ich früher über Ulis Schrift gespottet und über die banalen Geheimnisse, die sie wahrscheinlich dahinter verbarg. Harmlose Kindereien. Und jetzt fülle ich selbst Seiten mit diesen Zeichen und komme mir dabei zwar blöd, aber keineswegs kindisch vor. Wollte Gott, es wäre kindisch! Alles nur ein Spiel, meinetwegen sogar auch gerne nur Einbildung. Wie wäre ich froh, mich zu täuschen! Gerne auch um den Preis, mich vor mir selbst blamiert zu haben.

Wäre ich M. doch nie begegnet! Mein bisheriges Leben liegt fremd hinter mir. Ohne dass sich nach außen sichtbar etwas verändert hätte, komme ich mir vor, als wäre ich plötzlich in eine fremde Identität geschlüpft. Nein, nicht geschlüpft — eher gepresst, gezwungen, irgendetwas in der Art. Wie wird es jetzt weitergehen? Alles wie gehabt? Das scheint mir unmöglich!

Die Brühne fällt mir ein. Wie hat sie sich damals gefühlt, als ihr Leben von einer Sekunde auf die andere aus den Fugen geriet? Ein Tier, das plötzlich in der Falle sitzt. Dann noch der arme Ferbach - völlig ahnungslos findet er sich unvermittelt inmitten eines Albtraums.

Was hat das alles mit mir zu tun? Die Sache ist längst verjährt. Vergessen. Da draußen geht das Leben einfach weiter seinen gewohnten Gang.

Aus: Elisabeth Schinagl, Alles wie immer